Workcamp in Caruaru 2006
Mitte August machten wir uns auf den langen Weg in den brasilianischen Bundesstaat Pernambuco, der sich im Nordosten befindet, um dort im Rahmen unserer Partnerschaft vier Wochen zu verbringen. Wir, das sind zwölf junge Erwachsene aus verschiedenen Kolpingsfamilien der Diözese Hildesheim und der Beauftragte für internationale Partnerschaftsarbeit Wolfgang Bertram.
Nach 24 stündiger Reise wurden wir am Flughafen in Recife herzlich von den Organisatoren unseres Workcamps in Empfang genommen. Von dort aus ging es zum ersten Mal mit einem brasilianischen Kleinbus nach Caruaru ins Hotel, das von da an für drei Wochen unser zu Hause sein sollte.
Am nächsten Morgen brachte uns unser Shuttle Service nach Murici zu unserem künftigen Einsatzort. Hier haben wir die brasilianische Gastfreundschaft zum ersten Mal hautnah erleben dürfen. Mit für den Nordosten typischer Forró-Livemusik, Salutschüssen und einem reichhaltigen Mittagessen lernten wir unsere gastgebende Kolpingsfamilie und unseren Projektort kennen.
In den folgenden drei Wochen bestand unsere Arbeit zum überwiegenden Teil darin, das Kolpinghaus in Murici grundlegend zu renovieren. Zunächst musste die alte Farbe von den Wänden wobei sich schnell herausstellte, dass auch der Putz darunter erneuert werden muss. Somit galt es für die Verantwortlichen vor Ort die Planung zu ändern und entsprechendes Material zu beschaffen. Während sich einige darin übten den neuen Putz an die Wand zu bringen und hinterher in schwimmbad-grün überzustreichen, machten sich die anderen daran die Außenanlagen auf Vordermann zu bringen. Dazu gehörte das Anlegen eines Blumenbeetes und eines Weges, Rasen mähen mit einer gewöhnungsbedürftigen brasilianischen Sense, die eher an eine umgebogene Schaufel erinnert, Sammeln von Müll und das Abreißen von maroden Holzspielgeräten. Da viele Fensterscheiben kaputt waren wurden sie durch neue ersetzt, die Rahmen vom Rost befreit und neu gestrichen.
All diese Tätigkeiten machten wir in Zusammenarbeit mit brasilianischen Jugendlichen und Erwachsenen aus Murici. Gerade durch diese gemeinsame Arbeit wurde das Verhältnis zwischen den Gastgebern und uns gestärkt, da wir alle das gleiche Ziel vor Augen hatten und somit an einem Strang zogen. Trotzdem haben wir etwas Zeit gebraucht um uns an die brasilianische Arbeitsweise zu gewöhnen. So wurden wir oft zu einer Pause gerufen, wenn wir uns gerade etwas warm gearbeitet hatten. Auch Werkzeuge und Materialien hätten wir uns in größerer Anzahl gewünscht. Dennoch sind wir mit der für uns vorgesehenen Arbeit fertig geworden und haben darüber hinaus zusätzliche Kleinigkeiten erledigt.
Trotz der vielen Arbeit blieb während der Pausen und nach Feierabend noch genügend Zeit, die winterliche, brasilianische Sonne zu genießen und die Kolpinger vor Ort intensiver kennen zu lernen. Eines unserer Sorgenkinder war im Vorhinein, wie das Essen in Brasilien ist und ob es uns bekommen würde. Unsere Bedenken haben sich jedoch nicht bewahrheitet. Unser tägliches Mittagessen bestand aus jeder Menge Reis, Bohnen, Spaghetti, gegrilltem Fleisch, grober Bratwurst, verschiedenen Salaten, Maniokmehl, Obst und verschiedenen Getränken. Dies alles wurde liebevoll von mehreren ehrenamtlichen Frauen zubereitet. Abends haben wir entweder in unserem Hotel oder in verschiedenen Restaurants gespeist, was für unsere Verhältnisse sehr preiswert ist. Etwas gewöhnungsbedürftig war allerdings, sowohl bei den Gastgebern als auch in den Restaurants, dass das Essen nicht so warm serviert wurde, wie wir es von zu Hause kennen.
Zwischen den Arbeitstagen hatten wir Gelegenheit dazu, die Stadt Caruaru und die nähere Umgebung gemeinsam mit unseren Gastgebern zu erkunden. So haben wir in verschiedenen Museen einen Teil der brasilianischen Geschichte und Kultur kennen gelernt. Außerdem waren wir in Nova Jerusalém, einem riesigen Freilufttheater, wo in der Karwoche jährlich die Leidensgeschichte Jesu auf mehreren Bühnen nachgespielt wird. In Caruaru haben wir eine Sozialstation besucht, die unter der Leitung einer deutschen Ordensschwester ist. Dazu gehören ein Kindergarten, mehrere Hortgruppen mit speziellen Förderangeboten, Seniorenbetreuung, eine Krankenstation und ein Straßenkinderprojekt. All diese Angebote richten sich an die ärmeren Menschen der Stadt. Von den sieben Kolpingsfamilien, die es in Caruau gibt, haben uns zwei eingeladen um mit uns einen gemeinsamen Abend zu verbringen.
Des Weiteren haben wir diverse Kolpingprojekte besucht. Einerseits einen mehrere Hektar großen Garten in dem unter anderem Gemüse angebaut wird. Mehrere Familien aus der Kolpingsfamilie Murici teilen sich die Arbeit und haben somit ein Nebeneinkommen. Auch ein ökologischer Park, in dem wir uns wie in einem Regenwald vorkamen, wird von überwiegend jungen Mitgliedern betreut.
Zwei Tage waren wir im Sertao, einer sehr trockenen Region im Landesinneren. Hier haben wir drei Kolpingsfamilien besucht, die uns von ihrer Bildungsarbeit berichtet und uns sehr freundlich empfangen haben. Zum Sammeln von Regenwasser wurden mit Hilfe des Diözesanverbandes Hildesheim viele Zisternen errichtet. Außerdem gibt es Volkspumpen, die mehrere Dörfer mit Grundwasser versorgen. Eine der Kolpingsfamilien hatte 15 Ochsen für 13 Bauernfamilien, die die landwirtschaftliche Arbeit erleichtern und zum Transport dienen.
Am 07. September feiert Brasilien seine Unabhängigkeit. An diesem Tag findet in jeder größeren Stadt eine gigantische Parade über mehrere Stunden statt. Wir hatten die Ehre, gemeinsam mit Vertretern von Kolping Pernambuco, bei der Parade in Caruaru mitzulaufen.
Die letzten drei Tage verbrachten wir in Salvador, wo wir Gelegenheit hatten die Stadt zu erkunden oder uns am Strand auszuruhen. Schnell haben wir gemerkt, dass wir unsere Kolpingsfamilie in Murici und die Organisatoren sehr vermissen, die wir in den drei Wochen stark ins Herz geschlossen hatten.
Wir sind uns im Nachhinein einig, dass ein Workcamp in unserem Partnerland Brasilien eine sehr sinnvolle Sache ist, durch die zum einen die Partnerschaft gestärkt und gelebt wird. Zum anderen ist es eine gute Möglichkeit, den Unterschied zwischen Kolping in Deutschland und Kolping in Brasilien zu erfahren. Dieser besteht darin, dass die Uridee Adolph Kolpings, sich durch Gemeinschaft zu stärken und die benachteiligten Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, stärker verwirklicht wird und den Alltag der Mitglieder mitbestimmt.
Benedikt Kolle und Matthias Rejnowski